Episode Transcript
[00:00:07] Speaker A: Früher war das Rebellieren gegen Autorität in gruppendynamischen Settings ein sehr, sehr großes Thema und es gibt darüber die wildesten Geschichten. Und damit herzlich willkommen zu unserem heutigen Podcast Gruppendynamik, der der zweite von zwei Teilen eines Gesprächs mit Olaf Geramanes ist. Roland Schuster spricht darin mit ihm über eben Autorität, eine Autorität, die heute vielleicht in Teilen verloren gegangen ist, obwohl sie auch wichtig sein kann, eben um dagegen zu rebellieren und dadurch Manipulation zu überwinden. Das klingt beim ersten Hören vielleicht etwas komisch, aber vor allem klingt das zumindest für mich nach einer sehr, sehr spannenden Diskussion und damit ganz viel Spaß beim zweiten und letzten Teil.
[00:00:55] Speaker B: Was macht dann den Unterschied zwischen dem, dass man folgt, also ich überspitze jetzt Führerbefehl, wir folgen dir, im Gegensatz zu dem, dass man sagt, ah, ist eine interessante Persönlichkeit für mich, irgendwie macht das Sinn, was die Persönlichkeit da sagt, der will ich jetzt einmal folgen, bin aber trotzdem fähig. Wenn ich dann irgendwie für mich Widersprüche erlebe, wo ich sage, naja, komisch, dass das Sinnvolle erscheint mir jetzt irgendwie so sinnvoll, kann das auch anbringen und kann das sagen. Und das ist, wenn das geschieht, dann ist man sozusagen reif, weil man kann sozusagen, man ist autonom, also man kann sagen, ich folge und man kann aber sagen, so und jetzt folge ich halt Nirma.
Und im Gegensatz zu dem, wo man dann, und das ist das Interessante für mich, weil das ist ein Thema, das mich sehr lange beschäftigt, die Frage, also zweitausendein, die eine Seite ist ja, Menschen, die jetzt von autoritären Autoritäten oder von Menschen, die halt sozusagen dann das so darstellen, das was ich sage, hat zu gelten und sozusagen die Gefolgschaft ist, also es gibt nichts außer Gefolgschaft, wenn die sich denen sozusagen freiwillig unterwerfen und gleichzeitig in ihrer Freiwilligkeit sozusagen Gefolgschaftern üben. Und zwar egal, weil das ist das interessante, das bringt mir jetzt zu einem interessanten Gedanken, weil ich höre öfter, ich nenne das einmal so, die Personen, die mir im Kopf sind, höre ich dann öfter sagen, diese oder jene Person spricht doch so viel Blödsinn, warum folgen denn die Menschen der Person noch immer? Und ich sage dann, interessant, das können nur Kopfmenschen sagen, weil wieso soll es nicht Menschen geben, die einem anderen Menschen folgen, nicht weil sie das, was der sagt, für klug halten, sondern weil sie sich dann sicherer und mächtiger und vielleicht auch ihre Wünsche besser erfüllt sehen, wenn sie der Person folgen.
Und das vielleicht auch, wenn sie nicht angeregt werden, weil mich faszinieren dann schon so verschiedene, also ich denke, man kann oft nicht wirklich.
Also man muss dann aufpassen, wie man sich über Situationen den Kopf zerbricht, wenn man so will. Weil man kann nicht vom anderen verlangen, dass der andere den eigenen Kontext mitakzeptiert. Zweitausendein und sagt sozusagen, das Folgen hängt davon ab, ob einer gescheit rät. Aber es muss ja offensichtlich nicht. Also offensichtlich zeigt die Welt in einer sehr großen Deutlichkeit im Moment, dass Gefolgschaft, und ich spreche hier von freiwilliger Gefolgschaft, nicht von erzwungener, nicht davon abhängig, dass der, dem gefolgt wird, gescheit trägt, sondern der reicht schon aus, wenn er gewisse, sozusagen, wenn er goodies anbietet, Zweitausendein, so wie irgendwie geköpfte Feinde oder solche Überspitze natürlich.
[00:04:16] Speaker C: Also finde ich eine schöne Idee. Also eine schöne Idee, interessante Idee.
Kant sagt, Faulheit und Feigheit sind Ursachen für die Sehnsucht nach Unmündigkeit.
Also Faulheit und Feigheit sind Ursachen für die Sehnsucht nach Unmündigkeit. Und ich finde, die Gratwanderung, von der sie gerade gesprochen haben, besteht darin, inwiefern mich selbst aktiv in Unmündigkeit begeben möchte oder inwiefern ich jemandem folge und dabei die Verantwortung bei mir behalte. Und in dem Moment, und das finde ich sehr spannend, also je länger ich mich mit dem Autoritätsthema auseinandersetze, desto öfter komme ich gerade auch über das Thema Gehorsam. Natürlich als ehemaliges Militär ist es ein großes Thema. Und die Frage, was bedeutet Gehorsam? Und natürlich gibt es pathologischen Gehorsam, also wenn ich eine autoritäre Persönlichkeit bin und mich quasi freiwillig unterwerfe, so bis hin zu Kadavergehorsam, ein Begriff, der von den Jesuiten kommt quasi, also ich bin tot und du kannst mit mir quasi alles machen, was du willst. Und insofern sagt Karl, gehorsam als Unterwerfung unter den Willen eines anderen ist keine ethische Handlung.
Also ich kann Gehorsam leisten und immer noch ethisch handeln, indem ich nicht meinen eigenen Willen aufgebe, sondern meinen eigenen Willen behalte. Und das ist auch in vielen demokratischen Armeen gibt es immer den Zusatz, dass ich nicht jedem Befehl gehorchen darf, sondern dass es quasi auch eine Pflicht gibt, Befehle nicht zu befolgen, die gegen die Menschenwürde sind, die unrecht sind, die strafbar sind. Also ist es auch selbst im Militär nicht die Aufforderung zu blindem Gehorsam, zu Unmündigkeit, zu unethischem Verhalten, sondern diese Beziehung quasi Gehorsam, Gefolgschaft gegenüber einer Autorität heißt, die eigene Verantwortung bei sich zu behalten.
[00:06:23] Speaker B: Ja, das, das, okay, das passt. Was es aber für mich noch immer nicht beantwortet, ist, warum entscheiden sich dann viele Menschen trotzdem für die andere Variante, weil dann habe ich das Problem, weil da kommt bei mir das Interessante wieder auf, was sie am Anfang gesagt haben, wenn man sagt, es gab keine Alternative zu der Entscheidung, aber wenn es keine Alternative zu der Entscheidung gibt, dann kann es keine Entscheidung gewesen sein.
[00:06:52] Speaker C: Genau. Und mit Kant gesagt, Faulheit und Feigheit, das hört sich jetzt irgendwie ein bisschen blöd an, aber ich glaube, es ist eine Form von sich nicht der ganzen Komplexität der Welt stellen zu wollen. Also ich glaube, wir sind überdrüssig geworden, weil es quasi keine Autoritäten mehr gibt, die die Vergangenheit sortieren, die uns Zukunft versprechen, weil wir immer mehr und mehr im Sinne der Individualisierung uns selbst ausgesetzt sind, weil wir irgendwie Entscheidungen treffen müssen, die wir überhaupt nicht mehr überblicken können. Also ich glaube, wir sind derart überflutet und überfordert von Komplexität, dass wir mehr und mehr nach einfachen Lösungen suchen. Und je einfacher Lösungen heute sind, also siehe Populismus, siehe Trump, siehe irgendwie all diese einfachen Parolen, desto größer ist die Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Oder die AfD in Deutschland, alles sind Beobachtungen, wo man sagt, aha, die Welt ist so komplex, aber wenn es jetzt Leute gibt, die einfache Lösung versprechen, dann bin ich bereit, mich in deren Unmündigkeit zu begeben und Dinge zu tun, die gegen die Menschenwürde sind, die gegen Recht verstoßen.
[00:08:06] Speaker B: Das ist interessant, weil das führt mir dann eigentlich wieder zurück in dieses Thema, das durchaus jetzt auch, finde ich, in Österreich, speziell in diesem Bereich der Erwachsenenbildung oder auch der Universität und Fachhochschulen, ein Thema ist, die Idee, man könne jungen Menschen bei dem Erwachsenwerden und im Studium Schmerzen ersparen. Also Schmerzen meine ich jetzt mehr im Sinne von Enttäuschungen. Enttäuschungen, Frustration. So, ja. Also nicht schmerzen im Ende jetzt keine körperlichen Schmerzen. Zweitausendein.
Und diese Idee, wenn ich ihnen jetzt zugehört habe, muss eigentlich zwangsläufig zu solchen Führern führen, weil das ist eigentlich die Verweigerung einer verantwortlichen Autorität, die verantwortlich frustriert. Also nicht sozusagen im Sinne eines Kristallisten oder so.
[00:09:00] Speaker C: Nein, verantwortlich frustrierend.
[00:09:05] Speaker B: Weil jeder, denke ich, der irgendwo schon in einer Prüfungskommission gesessen ist, weiß, dass es wesentlich schwieriger ist, einem Menschen zu sagen, dass er durchgefallen ist, als dass er durchgekommen ist. Aber ich glaube, wenn diese Verantwortung nicht angenommen wird, dann denke ich, löst man Tendenz dazu aus, dass das Ganze sich dann dorthin verschiebt, wo die Leute dann irgendwie sich halt Autoritäten dann suchen, die das dann in einem völlig anderen Ausmaß und durchaus auch aus meiner Sicht nicht wirklich gesund oder einfach wirklich auch in einem negativen. Also mit einer sehr negativen Ausrichtung anbieten, dass die sich dorthin flüchten. Also insofern, insofern hätte ich schon gesehen und man muss natürlich dazu sagen, ja, also ich lebe heute in ein System, bei dem man sich z.B. als Lektor sehr genau überlegt, ob man Studenten frustriert und hier rede ich von verantwortungsvollen Frustrieren, nicht von einem Frustrieren, wo man sozusagen irgendwie einen Studenten halt irgendwie verärgert oder wo man selber sozusagen irgendwie eine Muster irgendwo in einer Kiste steckt und dann den ungerecht behandelt, sondern wo man so verantwortungsvoll sagt, so und so schaut das aus. Und ich lebe in einem System, wo tendenziell die Frage für den Lektor ist, ob er sich das antun will.
Also da habe ich schon interessante Phänomene erlebt, wo ich auch sagen muss, jene Menschen, die da von einer humanistischen Bildung sprechen, verwechseln Humanismus mit etwas, das ich persönlich verwöhnen nennen würde oder verwöhnen ist vielleicht falsch gesagt, weil das ist wieder so ein gefährlicher Begriff, nicht? Weil der verwöhnt Begriff ist ja tendenziell auch so, gehört ja eher dann wieder so in diese Sprachkonzept solcher autoritären Führer, die also da irgendwie dann von verwöhnter und so weiter, weiß ich nicht, verzogener über zu sprechen oder verzogenen Menschen, verwöhnten Menschen, aber wo man einfach nicht, also anstatt dass man zweitausendeinousand verantwortlich frustriert und sich das ganze halt eben anschaut, auch weil es, auch wenn es weh tut, auch wenn es einem selber wehtut, weil es halt, es leckt, da oft schwierig ist, mit Studenten zu sprechen, die irgendwo da Leistungen halt nicht bringen oder die sich so verhalten, dass das eigentlich nicht wirklich passend ist mehr. Aber wenn das ganze System dann tendenziell so ist, dass es sich so in einer Art Ÿousand wahnsinns Schlaraffenland, also wirklich wahnsinniges Schlaraffenland hinein bewegt, indem man sozusagen über Sprachregelungen, ja, wo so muss man sprechen mit den Menschen und alles offen lassen und ja nicht irgendwie ankratzen an irgendwas. Also ich sehe da schon also eine gewisse Schuld, durchaus systemisch verankert, jetzt nicht nur in was er sehen, nicht nur in den Verführkünsten von irgendwelchen Demagogen oder auch nicht nur in dieser, also in den Studierenden oder in diesen jungen Menschen oder älteren Menschen, die jetzt nur sich flüchten wollen in irgendeiner Scheinwelt.
[00:12:28] Speaker C: Die Alternative oder die falsche Alternative ist ja, sich dieser Asymmetrie zu entziehen und quasi Symmetrieillusionen zu erzeugen. Also ich als Professor in der Hochschule gleich wie meine Studierenden oder die Führungskräfte in der Organisation sind identisch wie ihre Mitarbeitenden oder es gibt quasi keine Unterschiede mehr und das ist das, was man letztlich eigentlich Vertuschungsrhetorik oder Subtilisierung von Machtverhältnissen nennt, indem man quasi den Leuten die Möglichkeit nimmt zu opponieren, weil man sich selbst aus der Verantwortung nimmt, die Autorität auch wahrzunehmen. Also wo es keine Autoritäten mehr gibt, wo es keinen Zwang und keine Pflicht gibt, da kann man, kann man den Gehorsam auch nicht verweigern. Also das ist ja ein raffinierter Trick. Also in dem Moment, wo ich quasi gar keine Angriffsfläche mehr als vorgesetzte Personen oder als Hochschullehrer biete, muss ich auch keinen Widerstand mehr fürchten.
Dann folgt aber auch keine Auseinandersetzung, dann folgt auch keine Irritation, dann folgt auch keine Frustration, von der sie gesprochen haben. Und da weiß ich gar nicht, wohin das führen soll. Also woran man sich noch messen soll, woran man sich selbst erkennen soll. Also dieser Aspekt der Selbsterfahrung, so wo sind meine Grenzen? Wo teste ich etwas aus?
Aber dafür gibt es ja dann den Begriff der Resilienz, der löst es dann alles.
[00:14:02] Speaker B: Okay, da muss ich jetzt nachfragen, weil da bin ich jetzt stecken geblieben. Also die Resilienz, also wenn ich das richtig gehört habe, haben sie das jetzt eher so ironisch formuliert.
[00:14:13] Speaker C: Sehr ironisch, ja.
Okay, die Frage ist ja, für welches Problem ist das die Lösung? Und wenn es jetzt quasi Resilienztrainings gibt und wenn die ganze Zeit von Resilienz gesprochen wird, dann frage ich mich, für welches Problem ist denn das die Lösung? Also wenn man quasi gar keine Frustration mehr hat oder wenn man feststellt, die Leute sind nicht mehr in der Lage, in Konflikte zu gehen, die Leute sind nicht mehr in der Lage, in offene Auseinandersetzungen zu gehen. Die Leute wollen sich nicht mehr zeigen, weil sie die Befürchtung haben, sich selbst zu sehen, sehr zur Disposition zu stellen. Dann ist quasi die Überlegung, damit sie dann noch geschützt werden, wenn sie dann mal irgendwann straucheln, machen sie ein Resilienztraining. Aber das muss ich jetzt, kann ich jetzt selber nicht weiter vertiefen, weil es eher so ein Reizwort für mich ist. So ähnlich wie das Reizwort ohne Wertung.
[00:15:03] Speaker B: Ja, ja, ja, aber es geht. Also ich merke das schon. Also das ist sehr, sehr stimmig. Also was wir da jetzt so hin und her wälzen Ein bisschen ist schon stimmig, auch mit dem, wo ich sage, es gibt schon so, so wie sie sagen, im Reize so wertfrei oder eben Resilienz Trainings oder so, wo man dann vor lauter sozusagen, das ist, das läuft dann extrem betrachtet schon darauf hinaus, dass man denen das Leben abnehmen will. Ja, also so irgendwie das Leben wird so also so Vater und ohne, ohne völlige. Also schalke. Genau.
[00:15:46] Speaker C: Alles ist vorgebahnt, überall gibt es irgendwie Sicherheitsvorkehrungen.
[00:15:51] Speaker B: Und möglicherweise, aus meiner Sicht ist ja die Gruppendynamik prädestiniert dafür. Also ihr habt das z.B. erlebt mit den Lehrveranstaltungen, die wir gestalten, dass natürlich in dem Moment, wo wir in den Lehrveranstaltungen dann aufgemacht haben und die Leute halt so ein bisschen den Leuten die Möglichkeit gegeben haben, sich zum Ausdruck zu bringen, dass man dort eigentlich dann diese Gesamtfrustration abkriegt, die sonst überall gar nicht da ist. Also die ist irgendwie so, alles ist calm, alles ist ruhig, alles ist sozusagen. Und dann macht man da auf und auf einmal kommen die eigenartigsten Widersprüche rein und Frustration und Ärger und irgendwie.
Und tendenziell natürlich heißt es dann nicht aha, interessant, wie könnte man das deuten, sondern nur aha, wahrscheinlich die falsche Didaktik in dieser Lehrveranstaltung, also schauen wir, dass wir was anderes machen. Also das ist ein ganz eigenartiges Phänomen.
Aber dann würde ich auch sagen, jetzt aus der Gesamtheit betrachtet, zweitausendein, dass schon im Lehrsystem selber etwas drinnen ist, dass das ganze problematisch macht. Und jetzt würde ich das, ich schmeiß die Behauptung einmal so rein, ich würde sagen, die Gruppendynamik ist halt da schon dort, wo, also dass sie sehr früh merkt, was eigentlich los ist, weil die Gruppendynamik ja tendenziell so weit aufmacht, also dass die Leute ja vieles auch besprechen können und und sich zum Ausdruck bringen können. Also weil dort ja auch viel, also sozusagen es kommt zum Vorschein dort, weil es kann ja nur dort zum Vorschein kommen, wo, wo man sozusagen diese Öffnung hat, weil sonst, wenn ich eingezwängt bin in Formalismen, was will ich da sehen? Da ist es ja eh formal durchgetaktet. Ich kann es ja nur dann sehen, wenn ich die Formalismen wegnehme und dann auf einmal sieht, wie die Leute, wie die Leute ticken, was jetzt plötzlich passiert. Also sie haben es geschildert mit diesen unter Kontrolle bringen, aber sozusagen heimlich, also eher so subtil eben. Also ein, wir haben es jetzt genannt, eine Subtilisierung von Machtverhältnissen.
[00:18:20] Speaker C: Das finde ich das Großartige und das Großartige, das Tröstliche, aber auch das Interessante an der Gruppendynamik, dass es doch immer wieder gelingt, also dann am vierten und am fünften Tag zu merken, wie Gruppen und Teilnehmende in der Lage sind, Komplexität wahrzunehmen und zu bearbeiten. Also dass man nicht vor Komplexität straucheln muss, dass man nicht vor Komplexität aufgeben muss, sondern dass man mit der Komplexität umgeht. Das heißt, dass man so unterschiedlich wie wir sind, schließen wir uns nicht gegenseitig aus. So unlösbar die Themen zu sein scheinen, die wir mit uns umtragen, schließen wir uns nicht gegenseitig aus. Aber es braucht beides. Es braucht dazu eine Klugheit im Kopf, aber auch eine emotionale, emotionale Berührbarkeit und ein emotionales Verstehen von dem, was stattfindet. Und ich finde, das ist die Chance in der Gruppendynamik über eine emotionale Erfahrung auch intellektmässig etwas zu verstehen, aber in einer Ganzheitlichkeit zu bearbeiten. Und das ist etwas, ich finde, wir sind in einer sehr mittelbaren Gesellschaft angekommen, in der man ja eben nur noch über Zoom, nur noch über Remote und Medien miteinander umgeht und eben kaum mehr das Erlebnis hat, wie komplex eine Kommunikationssituation ist und was es braucht, um diese Komplexität auch abzubilden. Und tragisch finde ich das auch bei uns beispielsweise. Also die Trainings, die ich mache, mache ich vor allen Dingen im Weiterbildungsbereich, wo eher viele Leute kommen, die schon eine gewisse Affinität zu diesen Themen haben. Das heißt, da ist eine Bereitschaft, da ist eine relative Offenheit da.
Wo es diese Training kaum mehr, also eigentlich fast gar nicht gibt, ist bei uns in der Grundausbildung der sozialen Arbeit, wo ich denke, wo wenn ich dort muss dieses, dieses Erfahrungslernen hin, wo wenn ich dort muss man sowohl mit dem Kopf, mit seiner Klugheit dabei sein, aber auch mit seiner Emotionalität verstehen, was in komplexen Situationen, in typisch sozialarbeiterischen Bereichen gang und gäbe ist.
[00:20:22] Speaker B: Ja, das ist ein Thema, das macht bei mir auch viel Nachdenken. Und tendenziell ist ja so in der Gruppendynamik Community, also zumindest was ich jetzt von den Diskussionen sagen kann, die im Moment halt gerade so in kleineren Kreisen bei uns geführt werden, also in verschiedenen gruppendynamischen Kontexten mit Menschen, die dort zugange sind, ist schon auch die Frage irgendwie, inwieweit man überhaupt noch sichtbar ist mit dieser Form des tuns und inwieweit das, also wie man das überhaupt schaffen kann, dass das wieder deutlich erstens einmal, dass das mehr zum Einsatz kommt wieder und dass das wieder irgendwie mehr in den Curricula verankert wird. Aber da stellt sich mir wieder die große Frage, das haben wir wieder bei der Potestas und bei der Oktoritas, weil ich natürlich schon auch einiges an Sachen erlebe, wie sich halt dann verschiedene Dinge so rein arbeiten in ein Curriculum und wie manche dann rausgearbeitet werden aus einem Curriculum. Und da sehe ich halt schon, dass man oft in diesen Diskussionen schon auch durchaus sinnvoll Machtpolitik, also ich weiß nicht, ob das jetzt Desillusionierung meiner selbst ist, aber ich meine, dass Machtpolitik durchaus Sinn macht, also auch schon jetzt im Sinne eines eines bewussten Einsetzens von Politik und Machtpolitik. Also jetzt mit Politik meine ich sozusagen, dass man sich halt geschickt irgendwie positioniert, dass man Netzwerke hat. Also ich rede jetzt nicht von Parteipolitik an sich, wobei das schon immer wieder reinspielt auch, aber ich meine mit Politik also einen weiteren Politikbegriff. Und da macht es schon Sinn, denke ich jetzt, also sozusagen, ich habe leider, leider öfter, also das war ein relativ langes Learning von mir, öfter so einmal den Gruppendynamiker heraushängen lassen in Sitzungen. Also das ist etwas, was ein großer, großer Fehler war jetzt daran arbeite ich, dass ich das möglichst zurücknehme.
[00:22:53] Speaker C: Also es ist tatsächlich nicht immer klug, seine Fähigkeiten dann auch irgendwie unter Beweis zu stellen. Also ich kenne das auch bei uns an der Hochschule, dass ja teilweise unter Kolleginnen und Kollegen bereits der Begriff Feedback irgendwie schon so bedrohlich ist, weil man sich nur noch als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler versteht und irgendwie nur noch sich gegenseitig irgendwie theoretisch durchdringen möchte und dieser Aspekt des in Beziehung gehens auch dort kaum mehr vorhanden ist.
[00:23:23] Speaker B: Insofern eine schwierige Frage. Aber gut, jetzt haben wir ein bisschen herausgeglitten, weil wir haben ja begonnen eigentlich mit der Autorität in einer gruppendynamischen Trainingsgruppe, aber es hat natürlich immer auch mit dem drumherum zu tun, weil die Menschen, die ja da reinkommen, von irgendwo kommen, mit irgendeiner geprägten Autorität, wie auch immer die geprägt ist, das ist dann wieder mal ein eigenes Thema. Und wie man selber natürlich sich im System verhält, das ist die nächste Geschichte, weil man muss ja dann eigentlich auch so pendeln, wo man einerseits, wenn man in einer gruppendynamischen Trainingsgruppe agiert und man hat diesen Raum und man gibt diesen Freiraum und man hält diese, was auch immer dort passiert, die Emotionen und so weiter, und umgekehrt, wenn man aber dann in der größeren Organisation wieder agiert, ist es wahrscheinlich auch, ich meine, ich weiß jetzt nicht, wie das bei ihnen zustande gekommen ist oder wie sie da zweitausendein, wie sie da jetzt insgesamt jetzt in der Gesamtorganisation tun haben müssen, aber ich vermute, da ist dann noch einmal sozusagen eine andere Brille notwendig als die des Gruppendynamischen. Oder was heißt ich vermute, zumindest aus meiner Erfahrung ist es so. Ich stelle die Frage an sie, Herr Gerermanes, stellt sich das Ihnen da jetzt, also wenn sie jetzt sozusagen daran denken, wie konnten sie das verankern oder z.B. sie sagen, jetzt ist rausgefallen bei den Sozialarbeitern und arbeiterinnen diese Ausbildung, also sehen sie da Chancen, das wieder reinzubringen oder wie sieht das im größeren Kontext aus?
[00:25:08] Speaker C: Also das Problem der Gruppendynamik erachte ich als eines, dass Gruppendynamik selbst ein interdisziplinäres Unterfangen ist, dem letztlich die Lobbyfehler, es hochschulpolitisch gut zu verankern. Also bei den Lehrstühlen in Österreich sieht man das, in Deutschland ist es kaum möglich, auch in der Schweiz nicht wirklich, weil es so zwischen allen Stühlen sitzt. Es ist nicht wirklich Psychologie, es ist nicht wirklich Soziologie, es ist die soziale Arbeit distanziert sich auch davon. Also es ist überall verkehrt, beziehungsweise alle sagen ja, ja, wir haben schon auch mit Gruppen zu tun, aber diese dezidierte Professionalität, sich in dieser Art und Weise aufeinander einzulassen und dieses Lernfeld, dieses gruppendynamische, t gruppenmässige Lernfeld zur Verfügung zu stellen, ist und bleibt etwas sehr exotisches, was davon abhängt, ob es einzelne Personen gibt, die es protegieren können. Also bei uns an der Hochschule mache ich es eben und jetzt eben noch ein Kollege von mir in der Weiterbildung, weil wir dort eine Nische haben. Wir haben den MIS Change und Organisationsdynamik, eben eine gruppendynamisch orientierte Weiterbildung, die wir konzipiert haben, aber wo wir dann quasi auch die Möglichkeit haben, die Inhalte selbst zu bestimmen. Und wir bieten das auf dem Weiterbildungsmarkt an. Das heißt, es ist nicht innerhalb des Grundausbildungscurriculums in der sozialen Arbeit, sondern es ist in der Weiterbildung. Die Weiterbildung ist frei ausgeschrieben, dort kommen diejenigen, die kommen und diejenigen, also wenn es Kundschaft gibt, wird der Kurs stattfinden, wenn nicht, wird er nicht mehr stattfinden. Und das ist quasi die Möglichkeit, die ich habe. Ich glaube, wenn ich wahrscheinlich mehr in der Grundausbildung tätig gewesen wäre, hätte es vielleicht auch dort Möglichkeiten gegeben, aber dann wirklich eine politische Angelegenheit. Wie sieht es schon gesagt haben, inwiefern kann ich als Person diesen Ansatz reinbringen, weil ich davon überzeugt bin. Und dazu muss man gucken, inwiefern man die Möglichkeit oder Zugänge an Hochschulen hat, um es dort reinzubringen. Beispielsweise in Deutschland ist es kaum mehr an den Hochschulen, es war früher auch schon mal stärker und wird dann von privaten Instituten angeboten. Hier bei uns in der Schweiz gibt es wenige Hochschulen, in denen eben auch aber dann konkrete Personen sitzen, die selber in der Ausbildung sind oder waren, die jetzt als Trainerin oder Trainer unterwegs sind, zweitausendein.
Aber es ist schwer, eine gute Lobby dafür zu finden und es ist auch schwer zu verkaufen. Also auch viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nach dem Training sagen, wow, es ist so großartig, wieso nehmen da nicht mehr Leute teil? Oder eigentlich müsste auch mein Chef, meine Chefin, meine Kollegen müssten eigentlich dieselbe Erfahrung machen, aber dabei bleibt es dann auch. Also es ist nicht so, dass es.
[00:27:48] Speaker B: Ein Selbstläufer ist, weil es mich interessiert, weil ich persönlich am Militär an sich sehr interessiert bin. Also ich war aber nie beim Militär. Also ich war nicht, in Österreich hat man das unbedingt zweitausendein untauglich genannt. Also ich war untauglich, ich habe nicht getaugt und es hat mich lang befasst. Also war schon ein Knacks in meiner, meiner, sozusagen in meinem Selbstwert, aber ich bin darüber hinweggekommen.
Aber haben sie, haben sie im Militär schon einmal, also dadurch, dass sie auf, sie haben gesagt, sie haben 12 Jahre dort verbracht, haben sie militärische Trainingsgruppen schon abgehalten?
[00:28:25] Speaker C: Also ich selbst habe ja an der Universität der Bundeswehr in München studiert, bei Karl Heinz Geisler, der ja auch lange Zeit damals bei den Gruppendynamikern mit dabei war, war dann nachher sein wissenschaftlicher Assistent, bin also noch während meiner Dienstzeit an die Universität zurückgekommen und auch während der Vorlesungen hat er auch schon immer mal wieder was einfließen lassen, zweitausendein. Allerdings haben wir dort kein wirkliches Training gemacht, also auch dort ist es nicht institutionalisiert. Das interessante ist, hier in der Schweiz gibt es im Rahmen des SWEP, des Erwachsenenbildners, gibt es eine Ausbildung, in der man dieses Training machen muss. Und da gibt es Kolleginnen von mir, die dezidiert im Militär diese fünftägigen Trainings durchführen und da durchaus gute Erfahrungen haben und da auch eben dieses Setting entsprechend durchsetzen können, zweitausendein.
Von daher auch da wieder ist es die Frage quasi, wer sind die Protagonistinnen und Protagonisten, die ihrerseits sagen, ja, das ist ein Ansatz, von dem sind wir überzeugt und wir beglücken euch jetzt damit. Also ich glaube, es braucht schon quasi auch hier diese Autorität, diese Überzeugung, ich habe hier etwas zu sagen, ich habe etwas zu bieten und ich will euch etwas, ich will euch fordern und lasst euch darauf ein.
[00:29:44] Speaker B: Also eh interessant, weil ich glaube auch gerade dort, was sie im Frühjahr mal erwähnt, nicht, dass es ja sowieso dort auch der Fall ist, dass eben zumindest in demokratischen Systemen gesagt wird, es gibt Befehle, die man nicht befolgen muss. Und das heißt, es ist ja eigentlich gerade dort äußerst notwendig, dann mit dieser Ambivalenz, was tue ich denn, wenn ich jetzt mit so einem Befehl konfrontiert bin?
Also da wäre das eigentlich so gedacht, ja auch äußerst interessant, also wenn man das ernst meint, zumindest mit den Befehlen, die nicht befolgt werden sollen. Also das ist immer die Frage, weil wir waren Kollegen gegenüber Gruppendynamiker gekannt, der auch im österreichischen Militär arbeitet und da habe ich dem gegenüber erwähnt, diesen Maria Theresien Orden oder wie der geheißen hat. Also den hat es gegeben eben für sozusagen für jene, die den Befehl nicht befolgt haben. Und der hat mir dann ganz milde lächelnd gesagt, ja, aber der wurde meistens posthum verliehen. Also sozusagen die Leute, die dann den Befehl nicht gefolgt haben, die haben es nicht überlebt, so irgendwie. Hintennach waren es dann sozusagen tolle Helden, aber im Moment ist das irgendwie nicht gut ausgegangen. Also das heißt auch interessant, dass also sozusagen dieser Widerspruch nicht, dass eigentlich etwas, das hoch wichtig ist, damit das System funktioniert, dass also sozusagen Anweisungen befolgt werden, eben nicht immer befolgt werden sollten. Und dann ist die Frage, was heißt nicht immer, wann ist das der Fall?
[00:31:20] Speaker C: Also es ist ein wahnsinns Thema. Wahnsinns deswegen, weil es wirklich ganz viel im Sinne von Disziplin, Moralität, Verantwortung betrifft. Ich weiß noch, ich glaube es war 1900 neunzigste, ich selber war in der Truppe und da ging es darum, um ein Denkmal für Deserteure. Also ähnlich wie dieser Orden für nicht befolgte Befehle ist es die Frage, was bedeutet es, ein Denkmal für Deserteure aufzustellen und was anerkenne ich damit? Und natürlich gibt es einerseits Deserteure, die sagen, ich musste Menschen unwürdigen Befehlen entfliehen und es gibt aber auch Feigheit.
Und jetzt ist die Frage, wo ist die Grenze zu ziehen? Wer zieht die Grenze? Wie können wir mit solchen moralischen Dilemma umgehen? Und das ist wiederum das Thema natürlich auch mit Gehorsam gegenüber der Autorität. Also inwiefern bin ich zu faul und zu feige selber zu denken und begebe mich einfach in diese Abhängigkeit und lass andere für mich denken? Und inwiefern behalte ich quasi die Moral auf meiner Seite und wer schützt mich, wer rechtfertigt mich und wie setze ich es durch?
[00:32:33] Speaker B: So vielleicht als Schlusssatz, was aus ihrer Sicht wichtig wäre, wenn man sozusagen dieses Auctoritas und des Potestas, was sie erwähnt haben, klug anwenden will. Worauf käme es an aus Ihrer Sicht?
[00:32:47] Speaker C: Also ich finde, es geht um eine grundethische Dimension innerhalb der Beziehung.
Und ich sage immer gern, man kann den Job eines Trainers nicht machen, wenn man Menschen nicht liebt. Und das mag sich vielleicht pathetisch anhören, aber ich finde, es hat was mit mit Mitmenschlichkeit zu tun und mit Liebe zu anderen Menschen, um sich darauf einzulassen, also etwas mitgeben zu wollen, sich anzubieten, in diese Beziehung zu gehen und diese Freiheit zuzulassen, dass die andere Person sich auch gegen einen entscheiden kann und das zu ermöglichen und sich selbst dabei treu zu bleiben. Also irgendwie eben auch für mich als Trainer zu denken, so boah, warum will der nicht oder was ist mit der denn los? Oder es kann einen auch ärgern, wenn die am zweiten Tag alle kollektiv rausgehen, obwohl man sich so viel Mühe gegeben hat. Und trotzdem immer wieder zu sagen, ja, die dürfen das aber auch und die dürfen jetzt auch rausgehen und die dürfen auch wiederkommen. Und ich bin einfach hier.
[00:33:52] Speaker B: Schön. Ja, vielen Dank, Herr Professor Germanis, für dieses schöne Gespräch. Es war sehr lustvoll für mich. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie dem Gespräch auch zugestimmt haben und hier dabei waren.
[00:34:04] Speaker C: Ja, vielen Dank, Herr Schuster, auch für das gemeinsame Erarbeiten. So die Idee war ja eben, wir haben ja gesagt, lassen wir uns mal gemeinsam auf dieses Experiment ein, ohne dass es jetzt irgendwie darum geht, was Spezifisches zu fassen, sondern das große Thema Autorität irgendwie so ein bisschen greifbarer zu bekommen. Vielen Dank.
[00:34:20] Speaker A: Das war der zweite Teil des Gesprächs zwischen Roland Schuster und Olaf Geramanes über das Thema Autorität. Falls sie den ersten Teil noch nicht gehört haben, auch der ist eine absolute Empfehlung, genauso wie die anderen Folgen des Podcasts Groben Dynamik, bis wir uns da oder in zukünftigen Folgen hören. Erst einmal vielen Dank fürs zuhören und bis zur kommenden Folge.